Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung durch Finanzwende

Schornstein des RWE-Kohlekraftwerks in Grevenbroich, Deutschland, am frühen Morgen
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Aktien von Unternehmen die ihr Geschäft mit der Kohle machen, erweisen sich immer mehr als finanzielle Risiken für Investoren

Für den Kampf gegen den Klimawandel gewinnt die Finanz- und Steuerpolitik zunehmend an Bedeutung. Es gilt der Grundsatz: Investitionen nur noch in klimafreundliche Projekte. Für diese Finanzwende muss die Politik jetzt die richtigen Weichen stellen.

Hoffnung und Mut hatte sich aufgebaut über die letzten Monate im Bereich Klimaschutz. In nahezu unglaublicher Geschwindigkeit ratifizierten Mitgliedsstaaten das Pariser Klimaabkommen und setzten es so schnell in Kraft, wie kaum ein anderes internationales Abkommen zuvor. Noch während der Folgekonferenz zum Treffen in Paris, der COP22 in Marokko, kamen weitere elf Regierungen, darunter Schwergewichte wie Australien, Japan oder das Vereinte Königreich, hinzu.

Doch freilich lag seit dem 8. November ein Schatten über diesem vorsichtigen Optimismus. Denn unklar ist, welche Auswirkungen die Wahl des erklärten Klimaskeptiker Donald Trump zum amerikanischen Präsident auf diesen internationalen Kampf gegen den Klimawandel haben würde.

Die gute Nachricht: Der Kampf gegen den Klimawandel findet nicht mehr nur auf dem Feld der internationalen Diplomatie statt - und nicht einmal mehr nur auf dem Feld der Verkehrs- oder Energiepolitik. Eine Arena, die sich dafür als immer essentieller erweist, ist das Feld der Finanz- und Steuerpolitik. Denn wie die grundlegenden Weichenstellungen für Geld- und Investitionsflüsse getroffen werden, hat entscheidenden Einfluss auf die Art der Projekte, die damit finanziert werden.

Fließen Investitionen in klimafreundliche Bereiche wie erneuerbare Energien, energetische Gebäudesanierungen oder effizient vernetzten Städtebau – oder fließen Gelder in überdimensionierte Autobahnen, den Bau neuer Kohlekraftwerke oder andere langfristige Infrastruktur, deren Nutzung uns über die nächsten Jahrzehnte in einem Entwicklungspfad gefangen hält, der von den Pariser Klimazielen weiter wegführt, anstatt diese zu verwirklichen.

Die Politik muss zentrale Weichen stellen

Primäres Ziel der Politik auf diesem Feld muss (und sollte) nicht sein, hier in zeitraubenden und mühsamen Prozessen hohe Zielmarken und Pläne zu verhandeln. Sie muss vielmehr einige beschränkte aber zentrale Weichenstellungen leisten – und bestehende Fehler und Verzerrungen beseitigen. In vielen Bereichen rechnet sich Grün nämlich schon längst: Die Kosten für Erneuerbare Energie sind inzwischen wettbewerbsfähig, an vielen Standorten ist sie um einiges günstiger als Energie aus Kohle, Öl, Gas oder Atom. Und umgekehrt gilt: Aktien und Anleihen von Unternehmen die im Kohlebergbau aktiv sind erweisen sich immer mehr als finanzielle Risiken für die Investoren, die sie kaufen, darunter Rentenkassen und auch kommunale Haushalten.

Das erkennen mehr und mehr Investoren und Finanzmarktakteure. Und viele wollen bereits aktiv umsteuern und in nachhaltige, zukunftsfähige Bereiche investieren. Doch welche Aktien und Anleihen oder sonstige Investitionen denn eigentlich „grün“ sind, das ist vielen noch nicht klar – und ein enormer Lobbykampf beginnt sich um entsprechende Labels für „nachhaltige“ und „grüne“ Finanzprodukte zu entwickeln.

Was die Politik hier beitragen muss: sie muss für Transparenz und klare Standards sorgen, damit für alle ersichtlich ist, welche Kohlenstoffrisiken in ihren Portfolios schlummern, welche Anlagen denn nun wirklich einen Beitrag zur Energiewende leisten und welche nur so tun und sich unter Deckmäntelchen wie „Clean Coal“ verstecken. Die Politik muss mit eigenen Finanzrücklagen vorangehen und sich beispielsweise im Rahmen ihrer Rolle als Anteilseigner bei Förder- und Entwicklungsbanken dafür einsetzen, dass der Grundsatz gilt: Investitionen nur noch in klimafreundliche Projekte.

Sie muss durch ihrer steuerlichen und Finanzmarktaufsichtsinstrumente sicherstellen, dass Risiken, wie sie durch Investitionen in CO2-intensive Wirtschaftssektoren bestehen, erkannt werden und damit reduziert werden können. Und: sie muss endlich Schluss machen mit klimaschädlichen Subventionen. Die Mitarbeiter/innen der fossilen Energieunternehmen haben ein Recht auf zukunftssichere Arbeitsplätze. Die fossile Energieerzeugung an sich hat das nicht.

Die Finanzwende ist in vollem Gange

Dieser Kampf für mehr Klimasensibilität auf den Finanzmärkten – und die Erkenntnis, welchen Einfluss die Steuerung von Investitions- und Kapitalströmen auf den Klimaschutz und die Verwirklichung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) hat – findet auf vielen Ebene statt. Global, europäisch, national und sogar kommunal. Die Stadt Münster hat in Deutschland den Anfang gemacht und ihre Pensionsrücklagen divestet – also aus klimaschädlichen Sektoren abgezogen. Losgetreten von grünen Stadträten leistet Münster damit auf lokaler Ebene aktiv einen Beitrag zum im Pariser Abkommen verankerten globalen Ziel, Finanzströme umzuleiten und am 2-Grad-Ziel auszurichten.

Das Land Berlin arbeitet derzeit an einem nachhaltigen Aktienindex, entlang dessen es schließlich seine eigenen Rücklagen investieren möchte. Und auch ein Green Bond, eine klimafreundliche Anleihe, durch die Berliner Investitionsbank ist in den Koalitionsvertrag aufgenommen werden. Diese „Finanzwende“ ist also in vollem Gange und wird aktiv durch Grüne vorangetrieben.

Was Grüne politische Instrumente und Perspektiven darauf sein können, das lässt sich in dieser kompakten Publikation zur Finanzwende finden. Und andere Autor/innen auf boell.de widmen sich vermehrt diesem auch unter dem Schlagwort „Green Finance“ bekannten Thema, darunter beispielsweise Motoko Aizawa vom Institute for Human Rights and Business aus den USA .

Das Volumen Grüner Anleihen steigt

An dieser Finanzwende sollen wir mit vereinten Kräften und offenen Augen weiterarbeiten und dafür eintreten, Greenwashing zu verhindern und auf echte Nachhaltigkeit zu setzen. Die allgemeine Dynamik ist ungebrochen. Kurz vor Beginn der COP22, am 4. November 2016, organisierte die marokkanische Solarenergieagentur (Masen) einen „Green Finance Day“ in Marokko. Im Mittelpunkt: die Lancierung eines 118 Millionen Euro schweren Green Bonds, der Solarprojekte in Marokko unterstützen soll und das Land auf seinem Weg voranbringen könnte, die 52-Prozentquote an erneuerbaren Energien bis 2030 zu erreichen.

Insgesamt wuchs das weltweite Volumen solcher Grünen Anleihen rasant an. Von drei Milliarden USD im Jahr 2012 zu über 51 Milliarden USD in diesem Jahr. Das hat enormes Potential für den Klimaschutz. Sichergestellt werden muss jedoch auch, dass weitere nachhaltige Entwicklungsziele nicht unter die Räder kommen, grüne Jobs auch vor Ort entstehen und bei den Projekten der Umweltschutz nicht dem Klimaschutz geopfert wird.

Auch die gerade gestartete deutsche G20-Präsidentschaft hat sich das Thema nachhaltige Finanzmarktreform ins Arbeitsprogramm geschrieben, zumal sich der Klimawandel zunehmend als Risiko für die internationale Finanzmarktstabilität darstellt. Ein Erfolg, nachdem sich zuvor besonders das Bundesfinanzministerium gegen die Ansicht gesperrt hatte, dass auch die internationale Finanzpolitik ihre Verantwortung für den Klimaschutz zu tragen habe. Unter dem Titel „Finanzmärkte weiterentwickeln“ führt die Bundesregierung an, die „aus Umweltrisiken resultierenden Finanzmarktrisiken transparenter zu machen und Optionen darzustellen, diese zu reduzieren.“ Ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Zur Publikation: Autor*innenpapier "Die Finanzwende  – Reformagenda für Klimaschutz, wirtschaftliche Transformation, Stabilität und Nachhaltigkeit"

Dieser Artikel ist Teil unseres Dossiers zum Klimagipfel COP 22 in Marrakesch.